In den drei Gemeinden bzw. Ortsteilen Gutach, Wolfach-Kirnbach, Hornberg-Reichenbach im Kinzig- und Gutachtal ist die Tracht mit dem Bollenhut zu Hause. Noch heute werden nahezu alle Teile der Tracht handwerklich hergestellt.
Auffälligstes Merkmal der „Gutacher Tracht“ ist der Bollenhut, ein mit weißem Gips gefestigter Strohhut, auf den in Kreuzform elf große und drei im Ansatz erkennbare Wollbollen aufgenäht sind. Das Gewicht des Hutes beträgt etwa 1,5 bis zwei Kilogramm.
Ledige Frauen tragen den roten Bollenhut zur Tracht von der Konfirmation bis zur Hochzeit. Der Hut der verheirateten Frauen wird mit schwarzen Bollen besetzt. Auch die anderen Trachtenteile tragen dazu bei, dass die Gutacher Tracht unter den mehr als 100 Schwarzwaldtrachten einen herausragenden Platz einnimmt. Der schwarze Wiefelrock, das Samtmieder mit eingestickten Blümchen, das Goller auf dem Dekolleté, der mit Flitterzeug bestickte Kragen, das weiße Hemd mit Puffärmeln und bei den Herren der schwarze, rot gefütterte Kittel ergeben ein malerisches Bild. Erst mit zunehmendem Wohlstand und der Befreiung von Kleiderordnungen entwickelte sich die bunte Vielfalt der Trachten. Besonderheiten der Gutacher Tracht sind die schwarze Seidenkappe, die unter dem Hut getragen wird, die zwei in die Haare geflochtenen „Mäschle“, Perlenschmuck aus Flitterzeug und Perlen mit Spiegel in der Mitte. Am Erntedankfest und zur Hochzeit wird der Schäppel (Brautkrone) getragen.
Der Bollenhut entwickelte sich im Zusammenhang mit der Strohflechterei und dem Aufkommen der Strohhüte. Aus einer Anweisung der herzoglich-württembergischen Kanzlei von 1797 geht hervor, dass auf die Strohhüte die „übliche Dekoration von schwarzer und roter Farbe“ aufzutragen sei. Dem Aufmalen der schwarzen und roten Kreisflächen folgte bald das Aufnähen von Wollrosen, die im Laufe des 19. Jahrhunderts immer größer wurden. Mit dem allgemeinen Wandel der Lebens- und Arbeitswelt seit der Bismarck-Ära wurde die Tracht immer weniger getragen. Im Gegensatz zu anderen Trachtengebieten blieb sie allerdings in Gutach durchgehend erhalten. Sie wird als ein schützenswertes Kulturgut gepflegt und von kundigen Trachtennäherinnen und der Bollenhutmacherin weiter gegeben.
Anfang des 20. Jahrhunderts schmückt der Bollenhut Postkarten und Briefmarken. Seit den 1920er Jahren taucht er verstärkt in der Tourismuswerbung auf und ist in stilisierter Form auch auf vielen Produkten aus dem Schwarzwald zu sehen.
Zum Symbol für den Schwarzwald wird der rote Bollenhut spätestens mit dem 1950 ausgestrahlten Heimatfilm „Schwarzwaldmädel“.
Die Tracht ist im kirchlichen und weltlichen Brauchtum fest verankert. Bei der Auferstehungsfeier am Ostersonntag, beim Erntedankfest (1. Sonntag im Oktober), bei gemeindlichen Festen und Feiern ist die schmucke Bollenhuttracht in Gutach und den anderen Orten zu sehen. Inzwischen wird sie schwarzwaldweit auch bei touristischen Veranstaltungen eingesetzt. Im Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof in Gutach, im Trachtenmuseum Haslach und im Schwarzwaldmuseum in Triberg ist sie ausgestellt.
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